Bagsy


Vorbereitung

Es ist lange her, dass ich geschrieben habe. Aber ich habe eher einen Grund als eine Ausrede, so denke ich zumindest. Im August habe ich mich so viel mit meinem Thesevorhaben beschäftigt, dass ich total erschöpft war. Glücklicherweise habe ich meine Präsentation bestanden, obwohl ich mich immer noch peinlich berührt fühle, wenn ich darüber denke. Na ja! Ich habe es geschafft.

Ich brauchte noch ein bisschen Zeit danach, um mich zu erholen. Ehrlich gesagt habe ich immer noch dieses Gefühl. So viel ist in den letzen Monaten passiert – natürlich gibt es keinen Mangel an Themen, darüber ich schwafeln kann – aber es ist schwierig, sich hinzusetzen und zu schreiben.

Warum schreibe ich also auf Deutsch? Nun, ich habe vor kurzem ganz spontan beschlossen, dass ich eine Goethe-Prüfung ablegen möchte. Vorzugsweise noch in diesem Jahr, also habe ich nur ein paar Monaten, um mich vorzubereiten.

Ich habe letzte Woche die verschiedenen Niveaus recherchiert. Zum Beispiel habe ich die mündliche Prüfungen auf YouTube angeguckt: was für Themen werden behandelt, und wie die Prüfungskandidat*innen abschneiden. Die Entscheidung, welche Prüfung abzulegen, ist nicht trivial. Jede Prüfung ist teuer, aber ihr Preis steigt mit dem Niveau. Ganz zu schweigen davon, dass das nächstgelegene Goethe-Institut bis 2023 keine Prüfungen anbietet. Also habe ich keine Ausrede, noch mal nach Chicago zu reisen. Schade, weil es im Juli so einfach und günstig war, mit Amtrak nach meiner Lieblingsstadt zu fahren.

Ich will kein zu großes Risiko eingehen. Zum Glück hat ein guter Freund von mir, der während seiner Kindheit von dem Iran nach Deutschland umgezogen ist, eine Goethe-Prüfung und ein paar andere ähnliche Prüfungen bestanden. Wir haben schon einen Sprachaustausch mehr als ein Jahr lang gemacht, und ich vertraue seinem Urteil und seiner Erfahrung. Muttersprachler*innen können auf jeden Fall auf meine Fehler hinweisen, aber es ist eine völlig andere Sache, zu wissen, was solche Prüfungen von einem verlangen.

Ich fragte ihm, ob er dachte, dass ich C1 schaffen konnte. Seine Beantwortung?

Du könntest auch C2 schaffen. Ich verspreche es.

Ich war überrascht, gelinde gesagt. Wir haben einander zugestimmt, dass ich mich auf die Prüfung selbst vorbereiten muss. Aber C2? Das klingt wie ein Traum.

Nun, ganz oder gar nicht. Ich habe noch für nichts bezahlt, aber ich habe im Kopf schon geplant, die C2-Prüfung abzulegen. Ich habe ein Auge auf einen Termin im Dezember in Washington DC. So ist es. Habe ich Angst? Ja. Aber in den letzen Tagen erkannte ich, wie sehr ich dieses Zertifikat erreichen will.

Deshalb habe ich angefangen, mich vorzubereiten. Ich habe ein Buch bestellt, das Übungsprüfungen enthält. Aber das ist nicht alles: ich habe mehr Bücher auf Deutsch ausgeliehen, und am Abend schreibe ich Nachrichten um. Das Letztere ist besonders hilfreich, weil die Prüfung um Themen wie Globalisierung geht. Also ist es wichtig, mit dem Wortschatz von der Klimawandel, der Digitalisierung, usw. vertraut zu sein. Beim Öffnen des Grammatikbuches, das meine Universitätskurse erfordert haben, habe ich als eine Deutschanfängerin gefühlt. Ich lese momentan eine Sammlung von Herta Müllers Aufsätzen und glaube noch, dass ich fast kein Deutsch kann. Es ist schon lange her, dass ich Aufsätze auf Deutsch geschrieben habe. Deswegen werde ich mich auf den Teil Sprechen konzentrieren. Viele, die das C2-Zertifikat erreicht haben, haben den Teil Hören am schwierigsten gefunden. Doch ich bin in dieser Hinsicht zuversichtlich, denn ich habe viele Jahre lang deutsche Radiotalkshows und andere muttersprachliche Inhalte gehört. Danke, Lage der Nation.

Ich muss verdeutlichen: Auf keinen Fall höre ich auf, Deutsch zu studieren. Obwohl ich nie genau wie eine Muttersprachlerin klingen werde, bleibt es immer das Ziel, mein Deutsch zu verbessern. Dennoch komme ich zum Punkt, an dem ich Russisch den Vorrang geben muss. Seid Anfang 2020 ist es schwierig, meine sprachliche Bemühungen auszugleichen.

Ich möchte etwas vorweisen können für all die Zeit, die ich mit Deutsch verbracht habe. Die deutsche Sprache ist ein Teil von mir – so sehr, dass ich irgendwann nach Deutschland umziehen will. Es gibt etwas so zufriedenstellend, eine Sprache gut zu sprechen, die nie vorher verwandt mit mir war. Währenddessen habe ich ein Gefühl der Zugehörigkeit entwickelt, als ich auf Deutsch spreche. Ich kann mich in mir selbst zu Hause fühlen. Das ist nicht der Fall, als ich Russisch lerne, wenn auch ich Russin bin. Russisch fühlt sich fremd an, wie etwas außerhalb von mir, das ich nicht einfangen kann. Ich möchte das verändern.

Der Erwerb des C2-Zertifikats wäre nicht nur ein Geschenk an mich selbst sondern auch eine Voraussetzung, wenn ich eines Tages Arbeit in Deutschland suche. Damit mein zukünftiges Ich mir danken kann. Auch mein vergangenes ich, denn es verbrachte fast des Lebens damit.